Am Freitag spielten alle wegen einer einzigen schlechten Zahl komplett verrückt und liess sie paradoxerweise euphorisch werden, im Glauben die FED würde wegen dieser einen Zahl ihren eingeschlagenen Pfad verlassen und die Zinsanhebungen sofort beenden. Sind denn alle Meschugge geworden? Glaubt man im ernst, dass sie die Zinsen dann auch gleich wieder senken würde?
Das ganze Verhalten an den Märkten ist so krank geworden, in dem man sich nur noch freut, wenn eine schlechte Zahl kommt, man sehnt sich schon förmlich danach. Wo ist nur der Verstand geblieben? Ist der Wunsch des Marktes wirklich, nur noch schlechte Zahlen zu wollen und am besten gleich in eine Rezession abzurutschen, je schwerer um so besser, nur damit man im Irrglauben bestärkt wird, die FED und die anderen Notenbanken würden sofort eine 180 Grad Wende einleiten? Wäre das überhaupt ein Grund, sich zu freuen?
Wo sind die Zeiten geblieben, als eine gute oder schlechte Zahl korrekt gehandelt wurde. Kam z.B. eine schlechte Zahl, fielen die entsprechende Assets, welche darunter leiden würden und die Assets stiegen, die von diesem Umstand profitierten und vice versa. Klar gab es auch immer wieder Ausnahmen, die hielten sich aber in Grenzen und im Allgemeinen handelten die Märkte richtig. Die Kunst lag darin, aus den vielen einzelnen Wirtschaftszahlen im Kleinen, das grosse Bild abzuleiten und danach zu handeln. Mehrheitlich hielten sich die Notenbanken zurück und spielten dabei eine wesentlich kleinere Rolle. Aber seit dem Platzen der Dotcom-Blase, sowie der Finanzkrise 2008/09 und erst recht seit der P(l)andemie scheint das über Bord geworden zu sein. Die Märkte sind total in die Abhängigkeit der Notenbanken gestürzt, es ist komplett ausgeartet und pervertiert. Sie können ohne die Droge von den Notenbanken nicht mehr vernünftig und eigenständig handeln, wodurch es höchste Zeit wurde, die Märkte auf Entzug zu stellen.
Die FED hat das endlich erkannt, wenn auch erst spät, dass sie das tun muss, weshalb sie agiert hat und das beenden will und auch wird. Und wenn die FED auch nur den Hauch von Glaubwürdigkeit zurückerlangen will, wird sie ihren Pfad weiter verfolgen, bis sie wie früher zuerst ein akzeptabeles Zinsniveau erreicht hat, was sie schon mehrfach und unmissverständlich kommuniziert hat. Dieses Zinsniveau wird zwischen 5 und 6 Prozent liegen, was sie auch schon mehrfach klar und deutlich kundgetan hat, nur schon um genug Spielraum zu haben, wenn sie die Zinsen wirklich wieder senken müsste. Sicher wird das auch wieder einmal geschehen, aber garantiert nicht schon bei der nächsten Sitzung Anfang Februar und in den nächsten Monaten, höchstwahrscheinlich noch nicht mal in diesem Jahr! Das hat sie auch schon mehrfach unmissverständlich zu verstehen gegeben, egal wie die Makrozahlen ausfallen werden. Diese werden sowieso nicht von Heute auf Morgen auf einmal allesamt kippen und so wie beim Lockdown alles zum Stillstand kommen! Sollte das wieder geschehen, was immer auch die Gründe (z.B. Weltkrieg, neue Seuchen etc.) dafür sein würden, hätten wir danach ganz andere Sorgen! Da kann man Gift drauf nehmen. Aber will man das wirklich?
Zudem wird die FED so lange QT fortführen, bis die Bilanz wieder auf ein akzeptables Niveau verkleinert und normalisiert sein wird. Selbst damit wird sie nicht einfach abrupt aufhören, sie wird zuerst langsamer machen und die monatliche Reduktionsmenge verkleinern, bis sie ihr Ziel erreicht hat, bevor sie aufhören wird.
Die FED will diesmal nicht die Fehler der Vergangenheit wiederholen, was sie auch schon mehrmals unmissverständlich kommuniziert hat. Einerseits will sie mit den Zinsanhebungen nicht zu früh aufhören und andererseits will sie auch nicht viel zu schnell wieder die Zinsen senken, um dann nicht in Panik mit noch grösserer Vehemenz wieder eingreifen zu müssen, wie es schon abermals in der Vergangenheit geschehen ist, als die Märkte komplett durchdrehten. Die FED wird diesmal so lange die Inflation bekämpfen, bis sie eine längere Zeit in der Nähe von 2 % zu stehen kommt. Das hat Powell auch schon mehrfach unmissverständlich gesagt! Obwohl die Inflationswerte bereits zurückkommen, sind sie immer noch viel zu hoch. Nächste Woche kommen die CPI-Zahlen, welche y/y mit 6.5 % erwartet wird von zuvor 7.1 %. Auch wenn sie tiefer käme als erwartet, z.B. mit 6 % oder sogar "nur" mit 5 %, wäre sie immer noch viel zu hoch und kein Grund in Jubelarien auszubrechen. Aber wie wahrscheinlich ist das? Sie müsste glatt mit 2 % kommen und dann das über mehrere Monaten halten, damit die FED auch nur in Erwägung zieht, die Zinsanhebungen vor dem Erreichen ihres Zieles zu stoppen, geschweige sie zu senken. Aber wie wahrscheinlich ist es, dass das passiert?
Powell hält am Dienstag wieder eine Rede bezüglich der Unabhängigkeit und der Mandate der Notenbanken. Gut möglich, dass er dann je nach Befragung oder von sich aus, nochmals seinen Standpunkt klarmachen wird.
So oder so, man hat es am Freitag deutlich gesehen, dass die Märkte es immer noch nicht begriffen haben. Sie wollen immer noch nicht wahrhaben, dass die FED es ernst meint! Auch ich habe bis Anfang Dezember noch geglaubt, die FED würde einknicken, aber ich habe dann schnell begriffen, dass sie es todernst meint und ihren Kurs durchziehen wird. Die FED täte gut daran, ihren Standpunkt nochmals zu bekräftigen. Zusätzlich hat sie auch schon mehrfach ganz klar gesagt, dass die Märkte immer noch zu überschwänglich seien, obwohl sie schon zum Teil über 20 % von ihren Allzeithochs tiefer stehen. Sie werden aber noch mehr Federn lassen müssen, denn der Markt muss endlich wieder lernen, auf eigenen Füssen zu stehen und nicht mehr von der FED abhängig zu sein. Dazu gehört, dass sie sich wieder vermehrt auf die fundamentalen Aspekte der Unternehmen konzentrieren und sie auf Grund ihrer Erträge usw. bewertet werden und nicht mehr auf die FED u.a. hoffen können.
Hätten die Märkte das jetzt schon begriffen, wären sie am Freitag nach der schlechten Zahl in die entgegensetzte Richtung gelaufen. Die Aktienmärkte hätten fallen müssen, die Bonds ebenso und der Dollar hätte steigen müssen.
Der S&P 500 ist am Freitag auf 3906 gestiegen und hat bei 3895 geschlossen. Der DXY hat bei 103.91, der EURUSD bei 1.0639 und der USDCHF bei 0.9268 geschlossen. Alle haben wieder bei Erreichen ihrer Widerstandszone, bzw. der Unterstützungszone plötzlich gestoppt, obwohl sie diese locker hätten nehmen können, wenn die Grundlagen gestimmt hätten. Wie ich schon im vorhergehenden Post geschrieben habe, konnte ich mir einfach nicht vorstellen, dass die Zone 1.0630/50 genommen würde, weil es absolut keine Grundlage dafür gab und gibt, aber sie sind trotzdem fast beim Tageshoch ins Wochenende gegangen. Ich kann mir aber beim besten Willen nicht vorstellen, dass sie nächste Woche weiter steigen werden. Die Gemengelage ist immer noch dieselbe, wenn nicht gar noch krasser geworden und die FED wird Anfang Februar die Zinsen abermals anheben.
Wann sollte die FED die Zinsanhebungen und QT stoppen? Wie schon geschrieben, erst wenn sie ihre klar kommunizierten Ziele erreicht haben wird. Punkt!
Die nächste Frage wäre, warum sie danach die Zinsen wieder senken sollte? Eine Arbeitslosenrate von 4 bis 5 % wäre sicher noch lange kein Grund dafür, schliesslich schwankte sie auch schon früher und sogar zu boomenden Zeiten immer in diesem Bereich herum. Das löst noch lange keine Panik aus und bis wir wieder 5 % Arbeitslosen haben, könnte es noch ein Weilchen dauern. Selbst eine Arbeitslosenrate leicht über 5 % war in der Vergangenheit kein Grund, um seitens der FED sofort Massnahmen ergreifen zu wollen. Aktuell sind wir noch weit davon entfernt und stehen erst bei 3.5 %!
Nur wenn die Arbeitslosenzahlen sich schlagartig verdoppeln würden, also z.B. auf 7 % explodierten, und alle Makrozahlen plötzlich eine schwere Rezession anzeigten, wäre die FED wieder geneigt, unmittelbar Massnahmen zu ergreifen und evtl. die Zinsen stark zu senken. Aber glaubt dann der Markt wirklich, dass das ein Grund zum Feiern wäre? Zinssenkungen alleine waren noch NIE ein nützliches Mittel, um die Arbeitslosenzahlen wieder runter zu bringen.
Und so lange wir auch noch Inflation haben, egal ob über 10, 8, 5, 3 oder nur 1 %, werden die Zinsen nicht wieder runter kommen. Wir werden noch für geraume Zeit in einer Stagflation verharren. Erst wenn wir deflationäre Tendenzen sehen, dürften die Zinsen gesenkt werden, aber das kann ebenso noch ein Weilchen dauern. Alles in allem gibt es einfach keinen Grund für die FED, in der nächsten Zeit ihren eingeschlagenen Weg zu beenden. Punkt!
Für mich war das Marktverhalten am Freitag der grösste Fake, den ich in den letzten Jahren gesehen habe. Nächste Woche müsste dies alles wieder rückgängig gemacht, denn extrem substanzlose Bewegungen werden schnell und meistens noch heftiger korrigiert, als man glauben will. Und ein substanzloseres Marktverhalten wie am Freitag habe ich selten bis gar nie gesehen!
